Sehenswürdigkeiten rund um die Wikinger stehen bei vielen Reisen durch Norwegen auf dem Programm: Ein Spaziergang durch das Wikingerdorf Avaldsnes bei Haugesund, 140 Kilometer südlich von Bergen.
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Auf einem Hügel auf der Insel Karmøy bei Haugesund steht die Olavskirche. Seit fast 800 Jahren wirft ihr mächtiger Kirchturm einen langen Schatten über die grünen Schafweiden, die das Steingebäude umgeben.
Zwischen den Schafen verläuft ein Wanderweg, der der einzige Weg zu meinem heutigen Ausflugsziel ist. Autos gibt es hier keine, dafür erkenne ich auf der anderen Seite des Karmsundes den Hafen von Haugesund.
Die Olavskirche und die alten Gräber, die sie umgeben und die Nähe zur Nordsee geben eine perfekte Einstimmung für mein heutiges Ausflugsziel. Ich bin auf dem Weg in die Vergangenheit und spaziere auf den Spuren der ersten Könige Norwegens. Mein Wanderweg führt auf die kleine Insel Bukkøy, auf der sich das Wikingerdorf Avaldsnes befindet.
Direkt hinter der Kirche liegt das Geschichtszentrum Nordvegen. Das kleine Museum erklärt, wieso sich einst Harald Hårfagre (Harald “Schönhaar”) ausgerechnet hier niederließ, um als erster norwegischer König Harald I. von hier aus sein Reich zu verwalten: Die küstennahen Inseln vor Haugesund eigneten sich perfekt, um den Weg nach Norden (Nord-Vegen) zu kontrollieren.
Brücke von Avaldsnes zur Wikingerinsel Bukkøy
Ich riskiere heute nur einen kurzen Blick in das Geschichtszentrum und gehe über den Wanderpfad in Richtung der Insel Bukkøy. Nach wenigen Gehminuten komme ich an eine Fußgängerbrücke – die einzige Verbindung der kleinen Insel mit der Hauptinsel Karmøy.
Anschließend geht es erst einmal durch einen dunklen Fichtenwald, der aber schon nach wenigen Metern den Blick auf die Lichtung mit dem Wikingerdorf freigibt: Zwei Langhäuser und mehrere kleine Hütten und Häuschen, teils aus Holz und teils aus Lehm gebaut.
Ein einfacher Holzzaun umgibt das Gelände und es gibt zwei große Holztore, die allerdings beide noch geschlossen sind. Es ist außerhalb der Hauptsaison, so dass es Führungen nur nach Vereinbarung gibt – ich bin später mit Rune verabredet – einem lokalen “Wikinger”, der mir das Dorf zeigen wird.
Jetzt gehe ich erst einmal entlang des Zaunes am Dorf vorbei – ein Wanderpfad führt einmal rund um Bukkøy. Das Inselchen ist sehr klein, nur wenige hundert Meter lang und breit – es handelt sich also eher um einen kurzen Spaziergang als um eine echte Wanderung.
Die Insel ist außer der Lichtung mit dem Wikingerhof fast ganz bewaldet, aber immer wieder streift der Weg kleine Buchten mit steinigen Stränden und Aussichten auf den Karmsund.
An einigen, besonders schönen Stellen sind Bänke aufgestellt. Auf eine der Holzsitzflächen hat jemand vor langer Zeit ein Herz eingeritzt und ich frage mich kurz, ob hier wohl schon Harald Schönhaar mit einer Geliebten gesessen hat.
Aber ich besinne mich schnell: Der Wikingerkönig hatte rund 20 Kinder von ungefähr acht Frauen und wahrscheinlich ging es zu Wikingerzeiten deutlich weniger romantisch zu hier auf Bukkøy.
Auch der kleine, weiße Leuchtturm mit dem roten Spitzdach zeigte wohl noch keinen Wikingerschiffen den Weg durch den Karmsund Richtung Norden an.
Über eine kleine Holzbrücke gehe ich noch, da taucht wieder der Wikingerhof Avaldsnes auf seiner Lichtung auf. Diesmal ist eines der Tore geöffnet, von Rune sehe ich allerdings noch nichts.
Wikingerdorf Avaldsnes: Rekonstruktion der Vergangenheit
Ich gehe durch das Tor über einen Schotterweg, der so etwas wie die “Hauptstraße” des Wikingerdorfes zu sein scheint. An der rechten Seite steht ein mannshoher Stein senkrecht im Boden, auf dem etwas eingeritzt ist. Ich kann nichts lesen – das müssen die berühmten Runen der Wikinger sein.
Im Hauptgebäude des Dorfes, dem Langhaus, steht die Tür offen. Als ich hinein gehe, sehe ich in der Dunkelheit einen Mann auf dem Boden hocken, der in die Glut einer Feuerstelle bläst. Ist er das? Der erste König der Norweger? Harald Schönhaar?
Natürlich nicht: Rune arbeitet als Guide in Avaldsnes und bereitet hier das Haupthaus der Wikinger für mich und die anderen Besucher vor. Schnell lodern kleine Flammen aus der Glut hervor und der junge Mann legt noch zwei Holzscheite nach – es wird hell im Langhaus.
Rune trägt ein gelbes Hemd und eine braune Hose, beides aus Leinen. Dazu einfache, braune Lederstiefel, ein Messer am Gürtel. Blonde Haare, Vollbart.
Die Flammen werfen ihm tanzende Schatten auf das Gesicht, und zwischen den Tierfellen, bunten Garnen, alten Krügen und einem Webstuhl sieht er echt aus wie die Krieger aus den “Vikings”.
Eine Tour durch die Wikingerzeit
Aber er ist freundlicher: Nach der Begrüßung führt er mich über das Gelände und bleibt immer wieder stehen, um mir zu erklären, wie die verschiedenen Werkzeuge, Waffen und Musikinstrumente funktionieren.
Mehrere Pfade führen über das Gelände, es gibt mehrere Häuser, einen Schuppen für Feuerholz und einen Wikingergarten mit ein paar Obstbäumen, Schnitt- und Bärlauch – dem “Wikingerknoblauch”.
Rune erzählt mir, dass die Gegend um Haugesund extrem reich an Fundstücken aus der Wikingerzeit sei. Was für Archäologen ein Traum ist, ist für Bauherren hier die größte Sorge: Beim Graben tauchen immer wieder alte Fundamente, Werkzeuge oder Geschirr aus Wikingerzeiten auf – Baustopp.
Diese Fundstücke dienen dann als Modelle für die Nachbauten im Wikingerhof hier auf Bukkøy. Denn, so erzählt Rune, auf dem Inselchen selber lebten wohl nie Wikinger: Es gibt kein Trinkwasser hier, der Boden ist schlecht und eigentlich sich kaum für Landwirtschaft.
Ironischerweise machte genau diese Tatsache das kleine Inselchen zum perfekten Platz für das Freilichtmuseum: Ein Stück Land ganz in der Nähe des Zentrums von Haugesund, das von niemandem sonst beansprucht wurde und so unberührt ist, dass es hier noch immer so aussieht wie vor 1000 Jahren.
Harald Hårfagre hat also nicht wirklich genau hier gelebt, sondern auf der anderen Seite des Sundes. Vorstellen kann man es sich hier auf Bukkøy aber umso besser – und ich bin mir sicher, dass er und seine Männer irgendwann einen ähnlichen Inselrundgang unternommen haben, wie ich heute.
Praktische Reiseinfos…
…zum Wikingerhof Avaldsnes:
Die Insel Bukkøy ist ganzjährig zugänglich, das Freiluftmuseum allerdings nur in der kurzen Sommersaison geöffnet (2018: Vom 21. Juni bis zum 16. August).
Geführte Touren finden in dieser Zeit täglich um 13 und 15 Uhr statt.
Außerhalb der Saison kann man für größere Gruppen (ab 20 Personen) unter der Telefonnummer +47 52 81 24 00 Führungen vereinbaren. Wer keine 19 Mitreisende hat, kann sich unter der Nummer einfach sagen lassen, wann die nächste Führung stattfindet und sich dort anhängen – so habe ich es gemacht.
… zum Wikingerfestival Avaldsnes:
Jedes Jahr im Juni findet auf dem Gelände das größte Wikingerfestival im Westen Norwegens statt. Über 200 Vikinger bevölkern das Wikingerdorf, es gibt einen Wikingermarkt, Kampf- und Musikshows und Essen und Trinken aus der Zeit der Wikinger.
2018 erwarten Ruben und sein Team in den vier Tagen bis zu 15.000 Gäste. Tickets und Infos gibt es hier.
… zur Olavskirche und zum Geschichtszentrum Avaldsnes:
Sowohl die Kirche als auch das “Historiesenter” haben ganzjährig geöffnet. In der Wintersaison gelten jedoch eingeschränkte Öffnungszeiten. Mehr Infos dazu und zu Eintrittspreisen gibt es hier.
Vielen Dank, dass du hier in den Fjordwelten zu Besuch bist – ich freue mich!
Hast du Fragen oder Tipps zum Wikingerhof Avaldsnes?
Ich freue mich über deinen Kommentar!
2 Kommentare
Hallo
Vielen Dank für diese tollen Beiträge!
Ich hätte eine Frage ! Wir sind kommende Woche mit dem Kreuzfahrtschiff in Haugesund!
Lohnt sich ein Besuch im Wikinger Dorf ! Wir haben Kinder 3 Jahre und 10 Jahre!
Und wie kommt man am besten vom Hafen zum Dorf??
Vielen Dank für Ihre Hilfe
Lg Markus Sauter
Guten Abend,
hat sich der Besuch im Wikingerdorf gelohnt und konnte man es gut selber organisieren?
Über das Kreuzfahrtschiff ist es leider so teuer. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Viele Grüße