Die Hornelen Wanderung ist eine der populärsten Wanderungen in Fjordnorwegen – schließlich nennen die Norweger den 860-Meter-Berg auf der Insel Bremangerlandet “die höchste Meeresklippe Europas”. Hier gibt es meinen Hornelen Erfahrungsbericht und eine Wegbeschreibung zum Gipfel. Weiter unten gibt’s den GPS-Track und ein paar Tipps für deine Wanderung auf den Hornelen.
Zur Felsklippe auf 860 Metern über den Fjorden
Für meine Wanderung auf den Hornelen habe ich mir die Route von Lisete ausgesucht, die etwas länger, aber dafür weniger steil ist als der Aufstieg von Hunskår aus. Lisete ist eine kleine Häuseransammlung auf der Landzunge Berleneset auf der Insel Bremangerlandet – mitten in Fjordnorwegen. Ich habe meinen Wagen auf dem Wanderparkplatz abgestellt und ziehe mir gerade meine Wanderschuhe an, als eine Frau mich anspricht.
Sie ist Norwegerin, sicher ungefähr zwischen 40 und 50 Jahre alt und ihre Wanderausrüstung verrät, dass sie wohl ein ähnliches Ziel hat wie ich. “Willst du auch auf den Hornelen?”, fragt sie mich. Und: “Hast du den Wetterbericht gecheckt?”.
Das habe ich, und beim Schuhe Anziehen schaue ich auch immer wieder auf die hohe Bergwand westlich von uns. Dort irgendwo muss der Gipfel des Hornelen liegen. Sehen können wir das allerdings nicht, denn die Spitze der Wand ist von Wolken eingehüllt.
Genau darüber möchte die Frau mit mir sprechen: Sie ist unsicher, ob sich der Aufstieg heute lohnt oder ob oben der Ausblick komplett wolkenverhangen sein wird. Wir quatschen kurz und beratschlagen ein wenig, aber ich habe dieselben Infos wie sie: Das Wetter wird heute wolkig, mal mehr, mal weniger.
Ich erzähle ihr, dass ich das Risiko einfach eingehen werde. Der Weg zum Hornelen ist gut markiert und ich habe eine Wanderkarte dabei, so dass ich mich nicht ernsthaft verlaufen werde. Außerdem habe ich genug Zeit.
“Ich baue einfach darauf, dass die Wolken sich verzogen haben, wenn ich auf dem Gipfel bin”, sage ich. Im “Notfall” mach ich dort oben eine längere Pause und warte, bis die Wolken den Ausblick freigeben – das müsste doch klappen, oder?
Sie stimmt mir einerseits zu, sagt aber auch, dass sie auch morgen noch Zeit hätte für die Wanderung. Sie müsse noch mal überlegen. Ich kann die Frau verstehen, schnalle mir jetzt aber trotzdem den Rucksack auf den Rücken und gehe los.
Los geht’s: Der Weg zum Hornelen
Der Weg startet direkt am Parkplatz und ist wirklich nicht zu verfehlen. Gut durchgetreten schlängelt sich ein schmaler Pfad gemächlich bergauf. Ganz eindeutig zeigt sich schon jetzt, dass das Bremangerlandet, über dem der Hornelen thront, eine Insel ist: Wasser sehe ich jetzt im Westen, Norden und Süden.
Von hinten zieht der Sund Frøysjøen rechts an mir vorbei. Von ihm zweigt der kleine Fjord Berlepollen ab, der sich nach links in die Berglandschaft von Bremanger hinein schlängelt. Nur vor mir liegt der Bergkomplex, an dessen Ende der Gipfel des Hornelen auf mich wartet.
Und in diese Richtung geht es jetzt weiter: Nach ungefähr einer halben Wanderstunde komme ich an meinen ersten “richtigen” Anstieg. Irgendwie wird das auch Zeit, schließlich will ich heute vom Meeresspiegel auf eine Höhe von 860 Metern darüber ansteigen.
Zwar gewinne ich jetzt recht schnell an Höhe, doch mein Ausblick wird dadurch leider nicht besser: Ich laufe jetzt direkt in eine Wolkengruppe hinein, die am Hang festhängt. Ich kann also jetzt die Fjorde unter mir nur noch erahnen.
Der Weg jedoch ist weiter gut markiert, die roten Wegmarkierungen des norwegischen Wandervereins leuchten mir in kurzen Abständen durch den weißen Nebel entgegen.
Langsam kreuze ich den Bergrücken, bis ich schließlich am Südhang entlang nach oben wandere. Immer wieder passiere ich kleinere Seen und, typisch für den norwegischen Spätsommer, Wollgrasfelder, die ihre weißen Wollbüschel im Wind wiegen.
Schwierigkeit: Langsam wird’s anspruchsvoller
Die Wolkenfelder verziehen sich immer mal wieder, durch andere laufe ich hindurch – abwechselnd kann in einem Moment keine fünfzig Meter weit sehen, im nächsten Moment ist der Himmel blau und ich schaue auf die Wasserfälle, die an der Bergwand auf der anderen Seite des Sundes.
Der Weg führt jetzt wenn auch nicht sehr steil, doch stetig bergauf. Zwischendurch gibt’s einige anspruchsvollere Teilstrecken, in denen ich über Geröllfelder oder dicke Felsblöcke balanciere. Auch ein paar kleinere Bachläufe muss ich überqueren.
Ich bin ungefähr zwei Stunden unterwegs, als die Vegetation merklich abnimmt. Irgendwann wird die Landschaft statt von grünem Gras von grauem Fels dominiert. Schließlich komme ich auf ein Plateau, das so felsig ist, dass es keinen Trampelpfad mehr gibt.
Meine Wanderkarte verrät mir, dass ich mir jetzt immerhin schon 700 Höhenmeter erwandert habe – nur ganz zum Schluß direkt am Gipfel soll es nochmal steil werden. Ich passiere wieder ein paar Seen, die ich allesamt rechts liegen lasse.
Irgendwann komme ich an einen Wegweiser: An dieser Stelle vereinen sich die beiden Wanderwege, die auf den Hornelen führen – wenn ich jetzt nach links abbiegen würde, käme ich herunter nach Hunskår.
Für mich geht es aber natürlich weiter in Richtung Gipfel, und ich frage mich, ob ich ihn nicht bald erkennen müsste. Meine Vermutung, dass sich der Hornelen in einer Wolke verbirgt, bestätigt sich dann, als ich eine Familie treffe, die mir entgegen kommt.
Die kleine Wandergruppe berichtet mir, dass sie vom Gipfel kommt – und ganz genau gar keine Aussicht gehabt hätte dort oben. Eine weiße Nebelwand, sonst nichts.
War ich bis hier her noch sehr optimistisch, stellen sich bei mir jetzt doch langsam erste Zweifel ein. Ist es möglich, dass ich so ein Pech habe? Gestern noch war das Wetter so schön!
Ich beschließe, das letzte Stück sehr ruhig anzugehen. Hinter einem riesigen Felsblock bin ich gut geschützt gegen den Wind, der hier oben jetzt doch sehr frisch ist, und ich mache eine letzte Verschnaufspause.
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Die letzten Meter: Ein Meer aus Steinen
Bei ein paar Schlucken aus der Wasserflasche und einem Kvikk-Lunsj-Schokoriegel beobachte ich den Gipfel. Beziehungsweise: Ich schaue in die Richtung, in der der Gipfel zu sehen sein müsste. Zu erkennen ist aber nur eine dunkelgraue Wand, die nach oben hin im Nebel verschwindet.
Zwanzig Minuten sitze ich dort, aber der Hornelen will sich einfach noch nicht zeigen. Also mache ich mich wieder auf.
Mein Weg führt mich jetzt über einen schwierigen, sehr felsigen Untergrund. “Blokkhav” sagen die Norweger zu einer solchen Landschaft, die man an vielen höheren Gipfeln Norwegens findet, “Blockmeer” – ein Meer an Steinblöcken.
Ich fühle mich ein bisschen an meine Wanderung auf den Galdhøpiggen erinnert, auf dem höchsten Berg Norwegens sieht es sehr ähnlich aus. Dazu passen auch die Schneefelder, die ich jetzt entweder umrunden oder durchqueren muss – willkommen im norwegischen Hochsommer!
Trotz der Kälte komme ich jetzt nochmal ins Schwitzen: Die letzten hundert Höhenmeter fühlen sich an wie ein Treppenlauf über unregelmäßige und wackelige Stufen, von denen eine gut und gerne mal einen Meter hoch sein kann. Immer wieder muss ich meine Hände zur Hilfe nehmen.
Und ganz plötzlich geht es nicht mehr weiter. Das Steinmeer hat ein Ende und vor mir tut sich ein Abgrund auf. Das heißt: Eigentlich kann ich den Abgrund nur erahnen, in Wirklichkeit sehe ich in diesem Moment nichts als eine weiß-graue Fläche. Vor mir, unter mir und über mir.
Leider trübe Aussichten auf dem Hornelen
Die Steinpyramide, mit der in Norwegen Berggipfel markiert sind, gibt mir die Sicherheit: Ich befinde mich auf dem Gipfel des Hornelen. Am Abgrund vor mir geht es 860 Meter hinunter bis ins Meer.
Doch vom erhofften Ausblick auf das Bremagerlandet, den Nordfjord, die umliegenden Berge, Sunde und Fjordarme keine Spur. Ich muss zugeben: Etwas enttäuscht bin ich schon. Es sieht leider jetzt auch nicht mehr wirklich danach aus, als sollten sich die Wolken bald verziehen.
Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht ganz auf und erkunde den Gipfel betont langsam und ausgiebig. Die kleine Schutzhütte “Olavsbu” steht nur wenige Meter vom Gipfel entfernt. Im Grunde ist sie einfach nur ein größerer Steinhaufen, zwei Meter hoch und breit und tief.
Komfort gibt es in ihr keinen: Hinter ihrer schweren Steintür befinden sich zwei schmale Bretter, die wohl als Notpritschen dienen sollen. Ihre kalten Wände sind von innen mit Beton abgedichtet – zweckmäßige Hochgebirgsarchitektur, die wirklich nur dazu dienen kann, den nötigsten Schutz vor den Elementen zu finden.
In einer Metallkiste finde ich neben eingeschweißter Notfallnahrung auch das Gipfelbuch, in dem ich ein bisschen stöbere.
Einige Schritte von der Olavsbu-Hütte entfernt bestaune ich einen mächtigen Felsspalt, vielleicht einen halben Meter breit und zig Meter tief. Ich umrunde ihn mit respektvollem Sicherheitsabstand.
Eine gute Idee, wie ich einige Wochen später feststellen muss, als eine grausame Meldung durch die norwegischen Medien geht: Ende August fällt eine Frau in genau diesen Spalt, für die jede Rettung zu spät kommt.
Zum Glück weiß ich davon im Moment noch nichts, und so bleibt das Wetter und der Nebel meine größte Sorge. Ich spaziere noch einmal zum Gipfel rüber, mache es mir bequem und esse einige Scheiben Brot mit Käse, um Zeit zu überbrücken.
Doch irgendwann gebe ich auf und mache mich auf den Rückweg hinab an die Fjorde – der Ausblick auf dieselben von der höchsten Meeresklippe Europas ist mir heute nicht vergönnt.
Und so hat sich heute wieder einmal gezeigt: Wanderungen in Fjordnorwegen haben das Potential für unvergessliche Ausblicke, die weltweit Ihresgleichen suchen. Eine Garantie gibt’s dafür hier aber nie – ein bisschen Glück gehört immer dazu.
Hornelen Wanderung: Dauer, Wanderkarte, Schwierigkeit und GPS-Tracks
Die Wanderung befindet sich auf der Insel Bremangerlandet, die ungefähr 170 Kilometer (gute vier Stunden Fahrzeit) südlich von Ålesund an der Fjordküste Norwegens liegt. Von Bergen aus sind es ungefähr 280 Kilometer Richtung Norden (5 Stunden mit dem Auto). Den Wanderparkplatz finden Navis mit dem Suchbegriff “Lisete” oder “Berleneset” (Koordinaten: 61°49’58.6″N 5°08’19.9″E).
Wanderdauer: Hin und zurück habe ich an reiner Wanderzeit ungefähr sechs Stunden gebraucht – Pausen sind dabei nicht eingerechnet!
Schwierigkeit: Die Hornelen-Wanderung wird als „anspruchsvoll“ eingestuft. Das stimmt vor allem wegen der Länge – um sechs bis acht Stunden im norwegischen Fjell unterwegs zu sein, braucht man schon ein bisschen Kondition. Technisch ist das letzte Stück vor dem Gipfel am schwierigsten.
Wanderkarte: Gehe nie ohne Papierwanderkarte! Die passende Wanderkarte für die Hornelenwanderung kannst du hier bestellen. Bei ut.no findest du eine (norwegische) Tourenbeschreibung und eine Online-Wanderkarte.
Wenn du ein GPS-Gerät oder eine Wander-App benutzt, kannst du dir hier den GPX-Track herunterladen (rechte Maustaste, speichern unter, dann die Datei in dein Gerät oder in deine App importieren). Es gibt auch einen Track für die alternative Route ab Hunskår aus.
Wandersaison: In Wanderschuhen ist der Hornelen in der Regel von Mai bis September zu erreichen.
Schönwetterbilder: Wenn du sehen möchtest, welche Aussicht dich bei gutem Wetter auf dem Hornelen erwartet, muss ich dich leider zu Instagram verweisen – suche nach dem Hashtag #hornelen, für die Umgebung lohnt sich auch #bremanger oder #visitnordfjord. Und wenn du schon mal da bist: Schaue auch bei Instagram mal in den Fjordwelten vorbei!
Hattest du eine bessere Aussicht auf dem Hornelen? Oder planst du eine Wanderung und hast Fragen? Ich freue mich auf deinen Kommentar!