Von meinem Zuhause an der Küste geht es heute mit dem Auto tief ins Landesinnere Fjordnorwegens. Bis an das Ende des längsten Fjords Norwegens, des Sognefjords.
Oder, besser gesagt, an eines der Enden: Hier in den Bergen fächert sich der Sognefjord in mehrere Arme auf. Der Lustrafjord im Norden, der Årdalsfjord im Osten und im Süden der Nærøy- und der Aurlandsfjord.
Gleich mehrere der schönsten Fjorde Norwegens liegen hier auf engem Raum dicht beieinander, voneinander getrennt durch schroffe und hohe Berglandschaften.
Ich möchte in den nächsten Tagen den Aurlandsfjord etwas genauer erkunden. Die Anreise dorthin will ich aber nutzen, um eine der eindrucksvollsten Straßen Norwegens zu erleben: Der Snøvegen, auf deutsch “Schneeweg”, führt einmal quer über das Gebirgsplateau des Aurlandsfjellet.
Der Start: Mit der Fähre nach Lærdalsøyri
Es ist zwar nicht der “offizielle” Startpunkt der “Nationalen Landschaftsroute Aurlandsfjellet”, aber für mich beginnt der Snøvegen trotzdem mit einer Fährfahrt über den Sognefjord.
Am Fähranleger Mannheller fahre ich auf die Autofähre “Lifjord”, die mich über den Sognefjord bringt. Von ihr aus blicke ich auf die steilen Ufer des Sognefjords, aus dem die Berge hier über 1000 Meter hoch in den Himmel steigen.
Schwer vorstellbar, dass ich da gleich mit meinem kleinen Toyota Yaris hochfahren soll.
Auf der Südseite des Sognefjords angekommen verschwindet die Straße dann auch erstmal in einem Loch im Berg – es geht durch den Fodnestunnel nach Lærdalsøyri.
In dem kleinen Ort, der der Verwaltungssitz der Kommune Lærdal ist, kaufe ich mir noch ein bisschen was zu knabbern und zu trinken für die Fahrt über das Aurlandsfjellet. Und ich nutze die Gelegenheit, ein bisschen durch das Städtchen zu spazieren.
Die Holzhäuser haben ähnlich tolle Verzierungen wie die in Bryggen in Bergen. Aber man merkt, dass hier nicht so viele Touristen unterwegs sind und wohl auch deshalb nicht alles so auf Hochglanz poliert ist.
An einigen der oft in Pastelltönen gehaltenen Häusern schon ein bisschen ab, was ich irgendwie ziemlich charmant finde.
Roadtrip über die Landschaftsroute Aurlandsfjellet
Aber jetzt soll auch meine Fahrt über den Snøvegen beginnen: Ich fahre aus Lærdalsøyri heraus und achte am Kreisverkehr nicht links in Richtung Aurland abzubiegen. Obwohl ich genau dorthin möchte – zum Snøvegen geht es nach rechts, er ist mit “Aurlandsfjellet” ausgeschildert.
Die Alternativroute ist die deutlich Schnellere: Durch den längsten Straßentunnel der Welt, den fast 25 Kilometer langen Lærdalstunnel, ginge es hier in weniger als der Hälfte der Zeit nach Aurland.
Ich will aber in die Berge. Ein kurzes Stück führt meine Route noch am Fjord entlang, bis der Fylkesveg Fv 243 nach links in das Erdal abbiegt.
Entlang des Flüsschens Erdalselvi gewinne ich schnell an Höhe, die sehr schmale Straße schraubt sich in mehreren Serpentinen steil nach oben. Nur ab und an gibt es mal eine Haltebucht – zum Glück ist hier echt nicht viel Verkehr, eine Begegnung könnte kompliziert werden.
Einsame Höfe und Schafe auf der Fahrbahn
Ich passiere einige typisch fjord-norwegische Bauernhöfe. Einige sind frisch rot gestrichen, andere schon ganz schön verwittert.
Vorsichtig sein muss ich hier nicht nur, falls doch mal Gegenverkehr auftauchen sollte: Zu den Höfen gehören Schafe, die auch die Straße als ihr Reich ansehen und wenig Verständnis für deutsche Touristen haben.
Aber wer hier lang fährt, hat es nicht eilig. Im Gegenteil: Ich halte mehrere Mal an, weil ich einfach eine Schwäche für Wasserfälle und Stromschnellen habe. Der Fluss bietet solche Schauspiele alle paar Kilometer.
So schlängelt sich der Schneeweg neben den Fluss durch die waldige Berglandschaft und ich mich mit dem Auto an einigen weiteren Schafen und einer Kuh vorbei. Bis irgendwann die ersten schneebedeckten Berggipfel auftauchen und ich an den Namen der Straße denke.
Ich bezweifle, dass ich hier noch mehr Schnee zu Gesicht bekommen werde. Immerhin ist es Ende Juli im heißesten Sommer der letzten Jahre.
Eine längere Steigung noch, eine Rechtskurve, da verändert sich die Landschaft abrupt. Mit einem Schlag ist sämtliche Vegetation verschwunden. Ich bin auf dem Bergplateau angekommen.
Einige grüne Moosflecken noch, ansonsten: Steinwüste, nur unterbrochen von jeder Menge Seen. An einigen Stellen fühlt es sich an, als würde ich über einen schmalen Steg fahren. Wasser an beiden Seiten.
Ansonsten sieht es hier aus aus, wie ich es nur von langen Wanderungen kenne: Auf den letzten Metern vor dem Gipfel des Hornelen oder an den höchsten Punkten der Hardangervidda sieht es ähnlich aus.
Verrückt, dass man hier mit dem Auto hinfahren kann.
Mit dem Wohnmobil über den Schneeweg
Als ich um die nächste Kurve fahre, staune ich dann nicht schlecht: Ich bin am Rastplatz Flotane und hier parken tatsächlich mehrere Wohnmobile!
Es gibt ein solarbetriebenes Toilettenhäuschen und mehrere Fahrzeuge machen hier eine Aurlandsfjellet-Rast. Für mich kaum zu glauben: Die Wohnmobile sind in der Überzahl!
Ich frage mich ein bisschen, wie ich reagiert hätte, wenn mir so ein großer Camper-Van auf dieser extrem schmalen Straße entgegengekommen wäre.
Aber irgendwie scheinen sie ja hierher gekommen zu sein und ich bin ein bisschen neidisch: Der Tag neigt sich langsam dem Ende zu und nicht wenige von ihnen scheinen an diesem magischen Ort die Nacht verbringen zu wollen.
Ich parke ebenfalls mein Auto und mache mich zu Fuß auf eine kleine Erkundungstour. Die Straße führt hier zwischen zwei kleinen Seen entlang, die mit einem kleinen Wasserfall verbunden sind.
Und meine nächste Überraschung: Hier oben haben sich tatsächlich mehrere gar nicht mal so kleine Schneefelder vom letzten Winter gehalten. Ob die bis zum Herbst noch abtauen werden?
Jetzt liegt der letzte Teil des Aurlandsvegen vor mir. Ziemlich rasant geht es jetzt durch vier Haarnadelkurven wieder herunter. Dann eine lange Gerade, zwei weitere Serpentinkurven.
Panoramaaussicht vom Stegastein
Und plötzlich komme ich von der Einsamkeit der norwegischen Berge hinein in den Trubel. Ein Kiosk, ein Parkplatz. Und das letzte Highlight meiner Tour über das Aurlandsfjellet: Zu meiner Linken liegt der Aussichtspunkt Stegastein.
Wie eine Nase streckt sich die Holzplattform 30 oder 40 Meter weit über den Abgrund. Unten: der Aurlandsfjord und das Fjorddorf Aurland. Weiter südlich lässt sich der Ferienort Flåm an der Spitze des Fjords erkennen.
Ich befinde mich auf einer Höhe von 650 Metern über dem Fjord. Am Ende des Stegasteins angekommen schützt mich nur eine Glasscheibe vor dem Sturz. Da kann man schon mal wackelige Knie bekommen.
Und einen zuckenden Foto-Zeigefinger. Mit mir befinden sich eine Menge Menschen auf der Holzplattform und alle machen dasselbe wie ich: Fotos!
Selfies werden mit Handys geschossen, Menschen mit Spiegelreflexkameras suchen nach der perfekten Perspektive und über dem Spektakel summt eine Fotodrohne.
Irgendwie nervig, aber wie gesagt, ich bin ein Teil davon: Es gibt nicht viele Plätze in Norwegen, von denen man einen so fantastischen Ausblick auf den Fjord hat.
Majestätisch kommt er im Norden, auf der Höhe von Gudvangen, um die Ecke gebogen, gräbt sich hinein in diese Hochgebirgswelt.
Irgendwann habe ich genug Fotos geschossen und gehe die letzten Autokilometer hinunter an den Fjord an. Die sieben Haarnadelkurven sind spektakulär, die ganze Zeit behalte ich die Aussicht auf den Fjord.
Ein Kreuzfahrtschiff hat gerade Flåm verlassen und macht sich jetzt auf den Weg entweder nach Bergen oder weiter zum Geirangerfjord.
Genießen kann ich diesen Ausblick während der Fahrt leider nur eingeschränkt: So ruhig es oberhalb des Stegasteins war, so geschäftig geht es hier zu.
Wohnmobile, Autos, Motorräder und Fahrräder kommen von unten in Richtung des Aussichtspunkt oder sind auf dem Weg zurück nach Aurland.
Aber es ist nun einmal Hochsaison jetzt im Juli und die Orte Flåm und Aurland gehören zu den beliebtesten Anlauforten für Norwegen-Reisende. So gesehen sind meine letzten Kurven auf dem Schneeweg eine gute Einstimmung auf das, was mich unten am Aurlandsfjord erwartet: Es geht zurück aus der Einsamkeit in die Zivilisation.
Mehr Tipps und Infos zum Aurlandsvegen
Der Aurlandsvegen ist unter mehreren Namen bekannt: Snøvegen oder Schneeweg gefallen mir am besten, der offizielle Name ist “Nationale Landschaftsroute Aurlandsfjellet” oder ganz bürokratisch Fylkesveg Fv 243.
Alle 18 norwegischen Landschaftsrouten findest du hier. Etwas weiter westlich befindet sich die Landschaftsroute Gaularfjellet, die ich auch absolut empfehlen kann. Noch mehr Tipps für Traumstraßen und tolle Routen für Roadtrips in Norwegen gibt es hier.
Der Aurlandsvegen ist auch mit dem Wohnmobil befahrbar, wie die zahlreichen Camper beweisen, die ich oben angetroffen habe. Man sollte sich aber auf die sehr schmale Fahrbahn, starke Steigungen und enge Kurven einstellen.
Auch mit dem Fahrrad kann man den Gebirgspass überqueren. Dafür braucht man aber stramme Waden und eine gute Kondition. Die steilsten Strecken liegen an der Südseite des Weges, weshalb ich mich mit dem Fahrrad wahrscheinlich für dieselbe Richtung entscheiden würde, die ich mit dem Auto gefahren bin: Von Nord nach Süd.
Der Schneeweg hat seinen Namen nicht umsonst: Im Winter kommen hier wahre Schneemassen herunter, so dass die Straße meist von Ende Oktober bis Anfang Juni nicht befahrbar und gesperrt ist.
Genaue Daten werden jährlich nach der jeweiligen Schneemenge entschieden. Eine Statistik der letzten Jahre und den aktuellen Stand gibt es hier.
Der Aussichtspunkt Stegastein ist aber ganzjährig geöffnet und von Aurland aus erreichbar. Einen Eintritt gibt es hier nicht, das Fjordpanorama von der Holzplattform ist kostenlos.
Die Alternativstrecke zum Aurlandsvegen ist der Lærdalstunnel. Eine Fahrt durch den längsten Straßentunnel der Welt ist ebenfalls absolut beeindruckend, so dass sich auch eine Rundtour anbietet, wenn man seine Unterkunft in der Nähe hat.
Wenn du gerade deine Reise nach Norwegen planst: Hier findest du Tipps für die richtige Ausrüstung und Packlisten für Norwegen.
Hast du Fragen zum Aurlandsvegen? Oder möchtest du uns deine Lieblingsstraße in Norwegen verraten? Wir freuen uns über deinen Kommentar!